Verständigung-Verstehen
Wie sich der Mensch verändert, wenn er plötzlich meine Sprache spricht. Ich sehe den Menschen reden. Das Gesicht verändert sich beim Sprechen, mehr oder weniger. Ich versuche, seine Mimik zu lesen. Die Gesten zu deuten. Ich sehe, wie er oder sie auf jemanden oder auf etwas zeigt und begreife lediglich, dass er oder sie etwas über diese Person sagt. Aber vielleicht sagt der Mensch es auch zu dieser Person. Ich höre die Art und Weise, wie die Person bestimmte Dinge betont, die klangliche Qualität der Sprache, die für mich nur Aussprache ist. Ich verstehe nichts, aber wenn ich genau zuhöre, verstehe ich vielleicht doch etwas. Wenn ich ganz genau lausche – vielleicht kann ich Wörter auseinanderhalten, vielleicht kann ich die wirren Geräusche doch durchdringen. Diese Geräusche der Person bilden eine Landschaft vor mir, die mich aber nicht einlässt. Ich sehe lediglich, ob sie erregt ist oder ruhig, ob sie lächelt. Ich erfahre etwas über die Stimmung der Person, ihre körperliche Verfassung, ich erfahre etwas über ihre Art, auf andere zu reagieren, vielleicht auch über ihre Art, Dinge zu verbergen, über ihre Aufrichtigkeit oder Verlogenheit, über ihre Angst. Nichts über den Gegenstand der Angst. Auch die Geschichte der Person bleibt mir vollkommen verborgen. Ich sehe vielleicht Temperament, ich erkenne, wenn die Person, der Mann oder die Frau, anderen ins Wort fällt. Aber weder kann ich über eine Sprachfärbung auf eine bestimmte Region der Herkunft schließen und darüber vielleicht auf so etwas wie Mentalität, noch erfahre ich etwas über die Intelligenz. Ich erfahre etwas über ihren Humor, aber nie über die ganze Tiefe ihres Witzes. Das Verstandesmäßige (das Logische – logos – Wort) in dem, was die Person äußert, erschließt sich mir nicht.?In dem Moment aber, wenn sie meine Sprache spricht oder eine, die wir beide sehr gut verstehen, öffnet sich die Tiefendimension der Person wie eine plötzlich beleuchtete Hinterbühne, die bislang im Dunklen lag.
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