Lob des Regisseurs
Letztens habe ich mich einem uruguayischen Regisseur und Autor gesprochen. Von Uruguay hatte ich bis dahin nichts gewusst. Nichtmal wo es liegt, hätte ich genau sagen können. Nördlich oder südlich von Brasilien? Das Gespräch dauerte ungefähr eine Stunde. Danach hatte ich das Gefühl, einige zentrale Dinge über das Land vermittelt bekommen zu haben. Ein Regisseur ist dafür besonders geeignet. Wer sonst könnte ein so kontextreiches Bild seines Lebensumfeldes vermitteln? Die Auseinandersetzung des Regisseurs ist politisch, sie ist aktuell, aber nicht tagespolitisch wie vielleicht bei einem Journalisten. Der Regisseur liegt am Puls seines kulturellen Kontextes, aber er kann auch in die historische Tiefe vermitteln und aktuelle Themen in zeitgeschichtlichem Zusammenhang sehen. Dennoch ist seine Sichtweise nicht faktisch objektiv, sie ist persönlich. Er erzählt Geschichte mit Geschichten über Menschen. Seine Sicht ist interessant, weil sie klar sein muss, verständlich. Sie ist korrekt, weil er sich für seine Aussagen rechtfertigen muss. Sie ist faszinierend, weil sie über das Konkrete hinausgehen muss, sie muss kreativ sein. Er kann mir genau die Stimmung in seinem kulturellen und politischen Zusammenhang schildern (ich sage nicht unbedingt: in seinem Land), kann mir erläutern, was die wichtigsten Stationen waren und sind und in welche Richtung sich die Dinge gerade entwickeln. Er ist leidenschaftlich, weil er begeistern muss. Er kann verrückte, aber einleuchtende Verbindungen herstellen zu anderen Zusammenhängen. Es ist einfach, mit ihm zu reden, denn man muss ihm nicht alles aus der Nase ziehen: durch die Arbeit mit Schauspielern ist er das Reden gewohnt und auch das Erklären. Er ist Narzisst genug, um gern zu sprechen, aber verliert sich nicht in langweiligem Privatkram. Wenn du wissen willst, wie es hier oder da zugeht, frag einen Regisseur.