Armut III: Müll
Hallo, ich bin Müllsammler.
Ich sehe, Sie waren ja schon bei uns.
Ich hab was vergessen.
Wo kommen Sie her?
Bosnien.
Der freundliche Herr ist klein, die kurzen, schwarzen Haare ordentlich zurückgekämmt, Hemd, Pullunder. Er humpelt mit einem Klumpfuß. Vor der Tür steht sein Fahrrad mit Anhänger, darauf ein paar Plastiksäcke.
Sind Sie schon lange hier?
Ach –
Gerade erst gekommen?
Nein, mein Gott. Achtzehn Jahre.
Ah, im Krieg.
Ja, ich bin jetzt hier seit 1994.
Da mussten Sie weg.
Ja, jetzt ja noch schlimmer. Aber Kinder Schule jetzt, Kinder Praktikum. Ich nie zur Schule. Kinder 9, 13, 16 Jahre.
Und kommen Sie zurecht?
Geht irgendwie. Kinder gut, Schule, ich nie Schule. Früher Schule 15 km, zu Fuß. Kein Bus.
Fahrrad?
Er reißt die Augen auf: So hoch Schnee (zeigt die Hüfte), was willst du machen mit Fahrrad? Waren weit weg auf dem Land, morgens fünf Uhr aufstehen, müssen gehen eineinhalb, zwei Stunden. Manchmal Leute mit Wagen, mit Pferden, Kisten, freundliche Leute nehmen Kinder mit, aber nicht immer. Ich nicht zur Schule.
Und im Krieg, waren Sie gefährdet?
Ja (Geste: was denkst du denn), ich bin Roma. Immer gefährlich. Kein Land, keine Heimat. Jetzt noch schlimmer in Bosnien, kriegst du zwanzig Mark im Monat vom Staat, keine Versicherung, Krankenhaus teuer, Arzt teuer. Kannst du nichts machen.
Und hier leben Sie in Berlin? Wo hier?
Kottbusser Tor.
Da in den Hochhäusern? Und, geht das?
Geht, aber (vage Geste) … mit den Leute kannst du nichts machen. Alles Türken, Araber. Tür zu, Fenster zu (Geste des Abschließens).
Viel Glück.
Danke.
Er wendet sich dem Müllcontainer zu.
Schreibe einen Kommentar