Verben
„Umstritten ist, ob es Verben gibt, die mehr als drei obligatorische Argumente benötigen.“
Wikipedia: transitives Verb
Ich habe mich schon immer gefragt, was eigentlich ein transitives respektive intransitives Verb ist. Nun habe ich erfahren: Auf diese Frage gibt es eine einfache Antwort. Leider hat diese Antwort aber nur begrenzte Gültigkeit und zieht gleich eine Reihe von Fragen nach sich. Die Definition der Transitivität hat ihren Ursprung in der lateinischen Sprache und bezieht sich damit auf die romanischen und europäischen Sprachen. Mit der Internationalisierung der Linguistik wurde rasch deutlich, dass nicht alle Sprachen die Voraussetzungen bieten, die für den Begriff der Transitivität notwendig sind. Daher genügte es nun nicht mehr, dass das Verb ein Akkusativobjekt benötigte. Die Sache wurde problematisch, und fürderhin sprach man auch nicht mehr von Objekten, sondern von verbalen Argumenten.
Überhaupt, das Verb: hochproblematisch, linguistisch. Im Grunde stiftet es ja nur Unruhe. Da sind die Satzglieder hübsch für sich und statisch und bummeln so herum, selbstgenügsam. Plötzlich taucht so ein Verb auf, installiert sich mit enormem Satzwillen als Prädikat, wiegelt die anderen Elemente sogleich gegeneinander auf, immer wohl sichtbar die legitimierende Fahne der Grammatikalität schwingend behauptet es Beziehungen, subjektiviert, objektiviert, gliedert noch in direkte und indirekte Objekte und baut eine regelrechte Klassengesellschaft unter den Wörtern auf. Das Verb wirkt ausgesprochen diskriminierend, es dynamisiert jede ruhige Gesellschaft, es baut zwanghaft hierarchische Gefüge auf, will Zwecke, Sinne, Richtungen, ontologisiert herum, spielt sich auf, führerhaft. Und wie ihm das gefällt, dem narzistischen kleinen Luder, wie sich das Verb badet in der Aufmerksamkeit, die es in der Wissenschaft erregt. Ganze Kategorien werden seinethalben geschaffen, ausgesprochen unaussprechbare Fremdwörter bemüht, um es in den Griff zu kriegen, aber mal ehrlich, das Verb tanzt der Linguistik doch auf der Nase herum und dreht ihm eine lange solche. So viele Kategorien, wie da erfunden werden, das ist doch das pure Armutszeugnis der Wissenschaft, dass sie das Kleingeschriebene nicht bändigen kann. Ganz nach Laune dieses Verbchens werden da Valenzen, Aspekte, Diathesen, Rektionen und Tempi aufgefahren, ja das Verb vermag die Wissenschaft zu spalten, bis sich unterschiedliche Schulen bilden, die über seine Kategorisierung streiten. Soll man davon ausgehen, dass es sich um Basislexeme oder Ableitungsformen handelt? Sollte man analytisch ihre – vielleicht ödipale – Beziehung zum Subjekt analysieren? Leidet es eigentlich und will am liebsten substantiviert werden? Sollte man atelische, inchoative, Funktions-, Gerundiv- oder gar Kopulaverben gruppieren? Da Wort macht sich nicht nur Freunde: manche haben schon die Nase voll und bespucken die Verben als nullwertig, Privativi, andere stehen auf ein zünftiges Vollverb. Aber im Großen und Ganzen ist sich die Fachgemeinschaft eigentlich nur einig, dass das Verb alles Mögliche sein kann, aber mit Sicherheit kein Dingwort.
Es ist und bleibt ein Problemfall.
Hier ma n Kommentar, also: in meine Heimat früher, ich noch n kleiner Bengel, so knapp mit’m Kinn übern Tresen, da konnse (ok, EIN Hilfsverb) ohne Probleme einfach so aus’n Stehgreif ganze Sätze, aber so was von ohne Verb, ne! Ma als Beispiel ne Geschichte: Ich gestern anne Pommesbude, son Typ, voll muskelär, er also „ma ne Pommes hier, aber zackig. Der Pommesbudenbesitzer, Vater von meinen Freund, aber auch echt son Riesen Schrank, mit Feinripp über der fetten Plauze, so ganz trocken zurück „ma nich so laut hier, sonst Ruckzuck Fresse dick und Hunger bis zum jüngsten Gericht, allet klar?“
Verben? Phh, total am Überschätzen! Alles Liebe ausn virtuellen Pott, Axel
Axel, dergleichen antiverbiale Gepflogenheiten sind mir nur allzu vertraut, versteht sich, so dass ich gelegentlich in meinen Texten versuche, der gleichschalterischen Arbeit der Schule („Ganze Sätze, bitte“) entgegenzuwirken, indem ich die Lebenswirklichkeit der Straße dagegenhalte. Siehe TAGESTHEMEN. SABOTEURE., erster Teil. Grüße zurück!