9/11
Irgendwie hatte ich halb übersehen, dass heute der 11. September ist. Ein wenig wunderte mich, dass vor der Feuerwache gegenüber fein uniformierte Feuerwehrleute herumstanden anstatt der in heruntergekrempelte Arbeitsoveralls gekleideten Recken, die ihre nervtötenden Motorsägen probelaufen lassen. Dann erfahre ich, dass sie hier präzise zum Zeitpunkt der Anschläge rituell Aufstellung nehmen und beten und Fotos machen zu Ehren der 300 Feuerwehrleute, die bei den Einsätzen am World Trade Center gestorben sind.
An dem strahlend blauen Morgen vor 17 Jahren pendelte ich in Midtown treppauf, treppab zwischen dem Fernseher im ersten Stock und dem Flachdach, von wo aus die Türme zu sehen waren. Und dann nur noch einer. Und dann keiner mehr. Wie damals ist auch jetzt die NY Fashion Week voll im Gange, gestern Abend habe ich an der Canal Street Fotografen um lustig gekleidete Menschen herumwuseln sehen: wichtig wichtig. Ich dachte daran, wie meine damalige Freundin als Praktikantin bei einer New Yorker Modefirma vor der geplanten Modenschau derart im Stress war, dass die unwahrscheinliche Nachricht, die so welterschütternd werden sollte, nicht zu ihr oder ihren Kolleginnen durchdrang, als ich davon berichtete. Dabei war das Kommunikationsnetz bereits zusammengebrochen und ich musste die paar Blocks zu ihr rüberrennen, um es ihr zu sagen. Schließlich gingen dort alle aufs Dach und sahen der Tragödie zu, arbeiteten aber trotzdem weiter, bis später nicht nur die Fashion Week, sondern schlichtweg alles zum Erliegen kam, mit Ausnahme der Feuerwehr- und Krankenwagen. Die Stimmung verblieb zirka drei Tage lang im heldenhaften Durchhaltemodus, dann überwog allmählich die Panik angesichts Bushs Kriegstreiben, der, es war kein Geheimnis, nur auf den Anlass gewartet hatte. Von da an waren die New Yorker zusehends mit sich selbst beschäftigt, und ich war, so gern ich verschwunden wäre, in der Stadt gefangen und spürbar im Weg. Wir waren damals froh, am Ende der Woche, die mit strahlendem Wetter und diesem spektakulären Ausnahmezustand in Manhattan begann und immer aussichtsloser und schrecklicher wurde, mit dem zweiten Flugzeug, das überhaupt wieder starten durfte, zurück nach Deutschland zu kommen.
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