Land und Leute
Diese bissige „Die Welt schuldet mir was, aber ich nichts der Welt“-Mentalität, dieses „sachlich richtig, gesetzlich gestattet, im Rahmen des gesetzlich Möglichen“ – immer mit dem Bedauern, dass das Gesetzlichmögliche nicht noch mehr hergibt, dass es überhaupt dieser Maske bedarf, die das eigentliche Profitinteresse mehr kaschiert als verbirgt. Dass das persönliche Interesse gestört wird von Idealisten, Romantikern, Weltfernen (Maschmeyer bei Jauch). Stören, Einschränken – das wird persönlich genommen und unpersönlich abgeschmettert. Dann bin ich eben Arschloch, na und. Dafür bin ich reich und mächtig. Soziale Verantwortung wird auf Wirtschaftsleistung abgewälzt: wir tun viel für unser Land, wir sind Patrioten, wir stärken die Wirtschaft, das kommt dem Wohlstand zugute, das muss man uns doch danken, ohne uns (Winterkorn etc. als personifizierte Wirtschaftskraft) wäre Deutschland mit 0,1 % Weltbevölkerung nicht drittstärkster Exporteur der Welt, das ist doch Leistung (ungeachtet der Kosten). Soziale Schere? Wirtschaftlich und sozial Schwache?: Das ist eben so, Pech gehabt, selber Schuld. Außerdem (schlimmer geht immer): Deutschland ist ja nicht Amerika, sondern die Gehälter hier betragen höchstens ein Zehntel von den Spitzenverdienern dort. (Subtext: Neidneid, da wäre ich auch gern dabei.) Arbeit getarnt als Arbeitsablauf, der das persönliche Angliegen kaschiert. Die legitimen Abläufe als Rettung vor deren illegitimem Inhalt.
Dieser Patriotismus ist Nebenprodukt. Der kommt auch immer dann als KO-Argument, wenn er überhaupt nicht gefragt ist, sowie in falscher Form. Das Land, für das sich diese Leute dann so stark machen, meint ja nie die Leute in dem Land, deren konkrete Lebensqualität, die ist ja total schnurz, sondern der Wirtschaftsstandort ist gemeint, „der Wohlstand“, der gewahrt werden muss, aber für wen? Wo ist er denn, der Wohlstand? Wer hat denn was davon? Die praktischen Defizite dieses Wohlstands werden überhaupt nicht berührt, sondern seine Existenz aus dem Wachstum der Wirtschaft direkt und unverblümt abgeleitet. Tatsächlich wird sogar der Armutsbericht geschönt, um diese Argumente zu stützen.
Extremismus als direkte Folge von Wohlstandsverlust (wenn Wohlstand auch Bildung statt Turbokarriere, Kultur statt Kompetenztraining einschließt).
Dabei ständig die Stimmen, die von der eigenen Genialität sprechen, die das eigene Können loben und die Blödheit der anderen, die überragende eigene Persönlichkeit gegenüber den anderen Nullen, oft aus einem Racheinstinkt heraus, aus der Kränkung heraus, aber aus welcher? Egal, aus irgendeiner Kränkung, um die es wirklich nicht gehen kann. Narzistischer Impetus aus übersteigert empfundenen Verletztheit. Nur das Gefühl, ich habe das verdient, und das hole ich mir auch, ich kann das, ich habe die Power, das Wissen, ich darf das deswegen, denn ich bin Elite, die anderen sollen Scheiße fressen, auch wenn ich das besser so nicht sage, denn das ist geschäftsschädigend. Ich weiß vielleicht irgendwie, das ist nicht richtig, aber in einer kindischen Trotzreaktion habe ich Recht, inneres Fußaufstampfen, und dann darf ich das auch. Wenn man mir sagt, dass das nicht in Ordnung ist, dann trotze ich noch mehr, und dann schöpfe ich den gesetzlichen Rahmen soweit aus wie möglich und schöpfe noch darüber hinaus, denn auch die Ahndung des Übertritts will kalkuliert sein, und oft lohnt der Übertritt, weil die Ahndung gegenüber dem Gewinn nicht maßgeblich ins Gewicht fällt. Bußgeld? Haft? Egal, ich bin sooo reich. Angriff auf die wohlverdiente, aber als Kränkung motivierte und daher niemals ausreichend bezahlbare Entlohnung? Muss persönlich genommen werden. Muss als Dashastdunichtverdientdasstehtdirnichtzu verstanden werden, gibt gar keine anderen Ohren als die der Kränkung, folglich jede Äußerung selbstgerechte Zurechtweisung mit Verweis auf öffentliche Legitimierung, z. B. Gesetzeslage.
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