Du bist so wunderbar, Moabit
Ausstellungseröffnung von Jan im Studio Nihil Baxter. Eigentlich wollte ich zusammen mit V. und B. hin, aber es klappt doch nicht so, es wird wieder später, bin selbst nur halb motiviert, aber ich will noch mal raus, nachdem ich gestern schon nicht bei der Filmvorführung in der Z-Bar war. Ich verpasse den Bus und stehe über zehn Minuten allein auf der Straße. Die Fahrt nach Moabit ist sehr lang, Turmstraße, unbekannte Gegend, ich war in dem Komplex mal mit L. zum Badmintonspielen. Der Hof ist leer und dunkel, es ist kalt, sehr ungemütlich. Aber ich habe gute Laune und Kalkbrenner im Ohr. Zwanzig Minuten lang, während ich dieses Studio suche und erst finde, als mir jemand in einem vollgestellten Musiklager durchs Erdgeschossfenster den Weg zum richtigen Eingang erklärt. Drinnen der Treppenaufgang wie ein Bunker, dann ein kleines Schildchen, dann ungefähr zehn Leute in einem niedrigen Industrieetagenraum, von Rigipswänden und Vorhangöffnungen begrenzt, die in weite Tiefen der Etage und in Ateliers führen, unzugänglich für den Besucher.
Jans Tropikalismus-Bilder, Collagen und Wasserfarben, Kannibalismus, zerlegte Körper, bemalte, zusammengesetzte Fratzen. Grausige Monster in buntem Naturidyll. Wirklich gruselig die Minigalerie der deutschen Kannibalen in der Mitte der Gesellschaft. Ich bin mir klar, dass die Abgestoßenheit, die ich beim ersten Blick auf die scheinbar aus Abfall und billigsten Materialien zusammengestellten Bilder empfinde, Berechnung ist, und sie mir, je länger ich ansehe, desto mehr gefallen werden, und so ist es auch. Jan stellt mir Sascha Sulimma von andcompany&co. vor, mit dem ich dann aber erst ganz zum Schluss ein paar Sätze rede. Ja, ich habe alle diese Texte für Euch übersetzt. Schön, dass der AUFSTAND so ein Erfolg ist. Man trinkt Kindl aus der Flasche. Schließlich startet eine Musikdarbietung, Jan und ein anderer präsentieren eine Komposition auf selbstgelöteten Tonverzerrern aus Brummen und Quietschen und ein paar Sprach- und Schlagersamplen. Ich habe Sehnsucht nach Melodie und Rhythmus, das muss von der Müdigkeit kommen, so kenne ich mich kaum. Es ist zum Teil sehr laut.
Auch unangenehme Erfahrungen sind Erfahrungen, aber meine Bemühungen, aus dem Abend einen Sofortgewinn zu ziehen, laufen ins Leere. Naja, vielleicht später. Falsche Verfassung irgendwie, sehr ärgerlich. Obwohl während der Eigenbaumusik noch eine Handvoll Besucher eintreffen, kann die zu schlecht besuchte Vernissage als soziales Ereignis nicht hinreichen. Inhaltlich wäre ein Gespräch interessant, aber ich bringe es nicht auf.
Ich werde immer müder und nichts kickt mehr, der Zigarettenrauch tut ein Übriges, ich rede mit niemandem und will weg. Auf der Straße rede ich mit den Laternen über meine schlechte Laune. In der Bahn herrscht Freitagabend, viele Leute unterwegs, ich höre Dänisch, Holländisch, Englisch, Türkisch, Arabisch, Französisch. Die Globalperspektive besänftigt das unwirsche Gemüt. Im TV immer Wallander.
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