Brot
Du nimmst das Brot. Eine Scheibe Brot. Du schaust das Brot an. Du denkst an nichts. Du fühlst vage verschiedene Stellen deines Körpers. Es ist, als ob er summt. Besonders die Beine. Eine Vibration geht durch deinen Körper. Das findest du merkwürdig. Du lauschst, sie ist nicht hörbar. Das Summen ist nur zu spüren. Du schaust das Brot an, fühlst sein Gewicht in deiner Hand. So eine Scheibe Brot
wiegt doch einiges. Der Tisch unter dem Brot hat fast dieselbe Farbe wie das Brot, das am Rand unter der Butter hervorschaut. Du bewegst den Kopf ein wenig nach rechts, das Summen sinkt in den Hintergrund, als hätte es seine Aufgabe fast erfüllt. Du atmest durch die Nase ein. Zwischen deinem Mund und dem Brot scheint es keine Beziehung zu geben. Der Mund ist noch nicht bereit für das Brot, du hältst es nur, es muss noch warten. Im Tisch ist ein Ritz, ein Spalt im Holz. Ein Riss. Das Material ist aufgeplatzt. Du stellst dir vor, wie es wäre, mit dem Fingernagel über den Riss zu fahren, darin hängenzubleiben. Wenn du das Brot nicht hieltest. Das Brot wartet. Seit wann ist dieser Riss da? Du kannst dich nicht erinnern, ihn zuvor schon gesehen zu haben. Wie erscheint so ein Riss? Wächst er? Nimmt er als winzige Öffnung seinen Anfang, als Trennung von zwei Fasern in der Maserung des Holzes, aus der diese Tischplatte besteht? Innere, trennende Kräfte, die stärker sind als die, welche die Maserfasern zusammenhalten? Und wenn die winzige Trennung erst da ist, schließen sich die angrenzenden Maserfaserzellen der Entwicklung an und scheiden von einander? Nehmen Abschied? Entscheiden sich für diese Seite des wachsenden Risses in der Masergesellschaft der Tischplattenzellen, oder für jene. Und trennen sich immer weiter, bis auch dein Auge eines Tages die dunklere Stelle in der Tischplatte wahrnimmt? Oder ist er plötzlich und auf einmal da? Nachts, unbemerkt, wenn alle schlafen, oder bei einem Ausflug sind, oder am letzten Wochenende, als soviel Trubel war und der Tisch gedeckt mit allem Möglichen, vollkommen zugedeckt die Tischplatte und den Blicken entzogen? Ein Stoß. Ein Anstoß. Ein Windstoß bloß – ein leises Reißen im Holz, und da ist ein Riss? Lange ausgehaltene Spannungen, die jetzt beim nichtigsten Anlass die scheinbar so homogene Oberfläche überraschend gewaltig entzweien. Und das Möbel ist gealtert. Hinter diesen Riss gibt es keinen Weg zurück. Du hebst die Hand und beißt in das Brot.
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