Dark Play
Auszüge aus der Nachtkritik zu „Dark Play“ von Carlos Murillo – Übersetzung: Henning Bochert, Inszenierung: Katharina Kreuzhage am Theater Aalen
von Otto Paul Burkhardt
Aalen, 24. Oktober 2009. Es geht um Chatrooms, doch die Bühne kommt ohne Computer und digitales Optik-Gedöns aus. Das ist schon mal ein gutes Zeichen: Denn Internet-Dramen drehen sich um alles Mögliche, nur nicht um Rechner, Flatscreens und Tastaturen.
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Jonglieren mit wechselnden Identitäten
Auch die neueste Aalener Entdeckung, eine deutschsprachige Erstaufführung, ist bei einem Lese-Suchlauf aus 350 Texten ausgewählt worden – „Dark Play“, 2007 in Louisville (USA) uraufgeführt, von Carlos Murillo (Jahrgang 1971) (…).
Das Stück erzählt von Sexualsehnsüchten in Chatrooms, vom Jonglieren mit wechselnden Identitäten und zeigt, wie dieses Spiel schnell zum absoluten Horror werden kann. (…) Collegestudent Nick denkt sich nun mal gern Sachen aus. Und weil ihn seine Freundin fragt, warum er so „rosa Bodenwellen“ auf dem Bauch hat, fabuliert er einfach drauf los. Ob wahr oder nicht, egal.
Nick erzählt eine aberwitzige Geschichte, wie er als 14-Jähriger zum Spaß im Internet blöde, naive Jungs beim Chatten an der Nase herumgeführt hat.(…)
Archaische Hilferufe ins nächtliche Netz
Als Lockvogel für Adam erfindet Nick eine Traummaid namens Rachel – insgesamt nicht zu edel oder modelmäßig, damit dem begriffsstutzigen Adam, der sich prompt in diese gefakte Rachel verlieben wird, auch ja nichts auffällt. Als Adam schließlich Rachel real treffen will, verheddert sich Nick in immer neue Identitäten. Virtuelle und reale Welt prallen aufeinander. Nick rettet sich von Lüge zu Lüge und will doch selbst auch nur eins: Liebe. Bis das Spiel scheinbar tödlich endet.
Wie das inszenieren? Katharina Kreuzhage hat den Text gerafft und lässt ihn eher andeutend und leicht abstrahiert spielen. Kein schwüler Sex mit Internetpartnern, kein dumpfiger Hose-Runter-Naturalismus. Der Cyberspace ist hier eine leere Spielfläche, umgeben von schwarzen Tafeln. Die Chatteilnehmer schreiben darauf ihre Botschaften, die von unbekannten Anderen erhört werden sollen – womit die Regie auch das Archaische dieser Hilferufe anklingen lässt, die da ins nächtliche Web-All gesendet werden.
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Die Verkommenheit der Seele erkennen
Rachel ist bei Claudia Sutter ganz und gar Nicks Schöpfung, ein von ihm gelenktes Püppchen, nur dazu da, um den notgeilen Adam kirre zu machen. (…)
Dass Murillo mit biblischen Namen (Adam, Rachel), mit Hamlet-Motiven und mit Theatertheorie jongliert (in gutem, also gefährlichem Theater, doziert eine Lehrerin, könne man „die Verkommenheit der eigenen Seele erkennen“), macht den Plot noch bezugsreicher (..).
(…) So hält es auch die Regie: Trotz aller Abgründigkeit dämonisiert sie nicht pauschal, sondern wahrt immer auch den Charme einer spielerischen Liebes-Versuchsanordnung. Ob Nick in seinen Identitäten nun schwul ist oder nicht, ist Nebensache.
Die vielschichtige Regie macht das Jugend-Cyber-Drama universell lesbar, jenseits von Geschlecht und Alter. Nicks Freundin hat also auf ihre Frage nach den „rosa Bodenwellen“ auf seinem Bauch eine ziemlich lange, verrückte Antwort erhalten. Adam? Rachel? Stichwunden? Sie glaubt ihm kein Wort und gähnt nur gelangweilt.
Dark Play (DSE)
von Carlos Murillo, aus dem Amerikanischen von Henning Bochert
Inszenierung: Katharina Kreuzhage, Bühne: Ariane Scherpf. Mit: Gregor Weisgerber, Mike Langhans, Claudia Sutter, Kirsten Potthoff.
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